Spielzeit:
994 Minuten
Ich besinne mich noch, dieses Game ahnungslos um die Jahrtausendwende bei Karstadt (!) erstanden und dann an den Abenden mit leicht beeinflussbaren Jugendaugen gezockt zu haben. Ich dachte, geilstes Spiel ever. Leider dringt stets auch das jähe Ende in den mentalen Reigen, denn ein Bug ließ das Spiel irgendwann einfach crashen. Die Abstürze wiederholten sich auch nach dem Aufrufen alter Speicherstände, so dass ich aufgab und das Spiel lange vergaß. Zwar staubte die Ladenversion seitdem viele Jahre im Schrank herum, doch sogar nach einer nostalgiegelockten Neuinstallation vor einigen Lenzen ließ sie sich nicht einmal starten. Nun wird der Klassiker endlich auf Steam angeboten. Den German-Patch gibt's hier: https://www.replaying.de/files/nomad-soul-deutsch-patch-download/
Omikron: The Nomad Soul ist ein Action-Adventure, das mit der immensen Atmosphäre seiner Cyberpunk-Story und seinem dystopischen Open-World-Setting noch heute die Sinne umgreift. Zu Beginn wird der Spieler höchstselbst von einem Zeitreisenden gebeten, in dessen Körper zu schlüpfen und in die Stadt Omikron hinüberzugehen. Nach einem einleitenden Kapitel und dem Intro zu der Musik von David Bowie (der nicht nur Teile des Soundtracks beisteuerte, sondern im Spiel auch anzutreffen ist) stehen wir in den bevölkerten Straßenschluchten der düsteren Metropole.
Kay'l, unser Charakter, ist Agent bei der städtischen Polizei. Aus der Third-Person-Perspektive versuchen wir herauszufinden, warum unser Kollege Den umgebracht wurde, ermitteln zeitgleich nach den Hintergründen einer weiter greifenden Mordserie, untersuchen Wohnungen von getöteten Zeugen und verschwundenen Tatverdächtigen, durchstöbern geschlossene Karteiakten der Polizeiarchive, verhören Tänzerinnen und Junkies in den örtlichen Strip-Bars, liefern uns Schießereien im nahegelegenen Supermarkt, wundern uns über das immerwährende Thema vom Kampf des Omikron-Diktators mit der Untergrund-Sekte der "Erweckten", wechseln per Seelenwanderung sogar in andere Figuren hinüber, um mit diesen das Spiel fortzuführen, oder kehren zu unserer Freundin Telis nach Hause zurück, um sie in die Arme zu schließen und im nett gestalteten Schlafgemach räkelnd zu vernaschen.
Neben seinem Adventure-Kern, in dem wir Multiple-Choice-Dialoge führen oder Objekte finden und woanders verwenden, birgt das Spiel auch davon entkoppelte Action-Dreingaben. Einige Male müssen wir in den Beat 'em up-Teil wechseln, in dem uns nur die im heimischen Trainingsraum gelernten Kombinationen von Tritten und Schlägen zum Sieg verhelfen; andere Male wirft uns das Game in die Egoshooter-Sicht, um mit der Laserwaffe Straßendiebe, Einbrecher, Kneipenschläger und korrupte Cops zur Strecke zu bringen. Dominant bleibt jedoch der Abenteuer-Part, den wir einige Meter hinter der Spielfigur oder an kurzen Stellen im verraumten Resident Evil-Stil erleben.
Lange vor GTA III lässt The Nomad Soul den Spieler frei in Restaurants, Waffenläden, Techno-Clubs und Sexschuppen einkehren und in das rege Treiben der Stadt eintauchen, deren monoton pulsierende Verkehrsknotenpunkte und futuristische Häuserzeilen eine zutiefst endzeitliche Welt entwerfen. Die Bars und Absteigen unter Neonlicht und die glitzernden Kaschemmen der Halbwelt, die musikalisch und lichttechnisch erstaunlich realistisch gestalteten Diskotheken und die riesigen Outdoor-Trakte einer verirrten Utopie schenken dem Spiel seinen unvergesslich bladerunneresquen Einzelgänger-Charme. Die zwanzig Jahre alte Grafik verstärkt diesen Eindruck sogar mit seinen leblos-weiten Straßenkorridoren und der Gigantomanie spärlich texturierter Hochhausbauten. Omikron: The Nomad Soul erweist sich noch heute als Offenbarung; als echter Trip für verregnete Abende, wenn die Liebste nicht da ist.
https://www.youtube.com/watch?v=lpJkSISb0YY
👍 : 10 |
😃 : 1