Spielzeit:
3023 Minuten
[b]Eine etwas knappe Empfehlung:[/b]
Wenn Euch das Szenario Cyberpunk wichtig ist, gibt es im Bereich der Wirtschaftssimulationen keine Alternative zu diesem Spiel. Meine Empfehlung ist aber eine knappe.
[b]Gutes:[/b]
Auf der einen Seite steht das Worldbuilding, das so ziemlich alle zentralen Themen des Genres in der einen oder anderen Form berücksichtigt. Wollt Ihr Transhumanisten sein? Mit Mutanten als Mitarbeitern, oder setzt Ihr auf künstliche Intelligenz? Könnt Ihr die Konsequenzen in den Griff bekommen? Oder wollt Ihr die Welt brennen sehen, um Euch dann als Retter zu produzieren?
Verwoben mit diesen Themen, die neben dem Klimawandel als globale Krisen in Erscheinung treten können, wurden Dutzende Technologien bzw. Produkte, die sich erforschen und weltweit vermarkten lassen: KI-Karriereberater, Designerdrogen, Klonzüchtung zur Gehirntransplantation, die totale Überwachung oder auch nur so etwas Profanes wie soziale Netzwerke ... Habe ich erwähnt, dass Ihr ein Raumfahrtprogramm starten könnt? Um die Welt zum Humanismus zu führen, oder liebäugelt Ihr mit dem Mondlaser, der das Schwert Eurer Träume ist, zum Alleinherrscher aufzusteigen?
[b]Weniger Gutes:[/b]
So weit, so gut, aber oben schrieb ich: "Auf der einen Seite". Die andere ist ein deutlicher Fehler im Spieldesign, den ich dem noch jungen Entwickler zwar verzeihen kann, der aber auch dazu führt, dass sich das Spiel ab dem Midgame so sehr hinzieht, dass ich es nach dieser Rezension (oder positiver formuliert: nach immerhin 50 Stunden Spielzeit) nicht noch einmal starten werde. Es geht um die Vermarktung: Am Anfang macht es Spaß, zu jeder Technologie Slogans entwickeln zu lassen, die bestimmte Zielgruppen ansprechen. Ich probiere sie aus und freue mich, wenn ich einen Treffer lande ... Ich nutze meine Medienmacht, um die Kultur zu beeinflussen, damit ich noch mehr Profit mache ... Ähnlich gehe ich mit der politischen Landschaft um, damit mir der Gesetzgeber nicht mehr im Weg steht ...
Ab einem bestimmten Punkt kippt das Ganze aber, und das liegt daran, dass Ihr später 20-30 Entwicklungen pro Land (es sind neun) gleichzeitig vermarktet, mit jedem Zug aber der Profit abnimmt, da die Werbekampagnen jedes einzelnen Produkts altern. Im Lategame geht Ihr also jede Runde jedes Land durch, um mithilfe der Sortierfunktion zu bestimmen, welche Kampagne zu alt ist, sodass Ihr sie neustartet. Das geht pro Land und Runde nur für ein Produkt und macht dann zusammen mit der Beeinflussung der Gewerkschaften, damit die Angestellten nicht zu schnell zu teuer werden, 90% der Spielzeit aus. Spannend wie eine Exceltabelle, aber wer das nicht macht, kann sich der Rezension anschließen, in der sich jemand gewundert hat, warum er nach ein paar Runden von hunderten Millionen Gewinn ins Minus rutschte.
Fairerweise muss man sagen, dass der Entwickler dieses Problem erkannt zu haben schien, denn man kann eine Automatisierungsfunktion erforschen, der man Arbeiter zuteilen muss. Je mehr es sind, desto häufiger und qualitativ hochwertiger wird automatisch nachjustiert. So weit die Theorie. Ich habe einmal alle Länder mit höchster Häufigkeit und 200% Qualität ausgestattet, was angesichts späterer Gehälter schon sehr teuer ist - gebracht hat es aber nicht viel. Diese Funktion müsste deutlich mächtiger sein. Schade. Wäre sie es, würde man aber auch merken, dass man ab dem Lategame ziemlich durchs Spiel huschen kann, denn viel bleibt dann auch nicht mehr übrig. Ironischerweise habe ich im selben Zug bemerkt, dass sich das Spielsystem austricksen lässt, wenn man im Lategame einfach alle seine Mitarbeiter feuert. Dadurch wird so enorm viel Kapital frei, dass man im Geld schwimmt und den öffentlichen Aufschrei wegen der Massenentlassung im Vorbeigehen zur Seite wischen kann. Ein Unternehmen ohne Mitarbeiter, auch ohne künstliche ... der feuchte Traum eines jeden Unternehmers zwar - aber gutes Gamedesign? ;-)
Wie gesagt, kleiner Entwickler, kein AAA-Spiel, daneben auch viel richtig gemacht ... Benannt werden muss es aber. Einen Nachfolger, der diese Probleme angeht und stattdessen noch mehr in die weltweite Interaktion einsteigt, vielleicht auch mit Rollenspielelementen, würde ich sofort kaufen!
[b]Danke, Spiel![/b]
PS. Einen Bonuspunkt bekommt das Spiel dafür, dass ich bei meinem letzten Durchgang in einer Welt gestartet bin, in der es zu Beginn keinerlei Akzeptanz für sogenannte "Soziale" Medien gab - mit keinem einzigen Slogan. Na ja, diese Utopie habe ich dann mithilfe des Mondlasers dann doch noch in eine amtliche, dem Szenario entsprechende Dystopie verwandeln können.
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