Spielzeit:
828 Minuten
[h1]Whodunnit im FMV-Gewand[/h1] The Infectious Madness of Doctor Dekker (oder kurz TIMODD) ist eines dieser FMV-Spiele, die einen mit gemischten Gefühlen zurücklassen. Einerseits eine Vielzahl von im besten Sinne verwirrenden Geschichten und Charakteren, andererseits ein Gameplay, das recht gewöhnungsbedürftig ist, hat es letztlich geschafft, mich in seinen Bann zu ziehen. Ein Dutzend Stunden Beschäftigung mit diesem Spiel haben mich letztlich dazu gebracht, es zu empfehlen - aber worum geht es eigentlich?
[h1]Plot & Atmosphäre[/h1]
Als Nachfolger des jüngst ermordeten Doktors hat man im Laufe der kommenden Sitzungen (ja, ein Psychotherapeut war er, ist man selbst) Zeit, den fünf Hauptpatienten auf den sensiblen Zahn zu fühlen. Die frivol wirkende Marianna leidet an [spoiler]Blackouts[/spoiler], der nervös wirkende Bryce erzählt ambivalent von seiner [spoiler]zusätzlichen Mitternachtsstunde, in der die Welt um ihn herum einfriert[/spoiler], Claire Castleford hat einige [spoiler]WIRKLICH ERNSTE Probleme mit ihrem Ehemann[/spoiler], die Krankenschwester Elin behauptet, sich [spoiler]in die 'loved ones' ihrer sterbenden Patienten verwandeln zu können[/spoiler], zuletzt noch Nathan, der schlichtweg [spoiler]Tage wiederholt erlebt[/spoiler]. Nebst der Assistentin Jaya, die ebenfalls zu den Verdächtigen zählt, gibt es also jede Menge Leute zu befragen und vielleicht ja auch zu heilen....oder?
Die FMV-Sequenzen geben den Blick auf die Couch inklusive Patienten wieder, der oder die - je nach parserbasierter Frageneingabe - mal ahnungslos "I don't know", mal bedeutungsschwanger einige lohnenswerte Informationen zum Besten gibt. Der Cast ist dabei ebenso wie das Interieur der Praxis insgesamt überzeugend gewählt, wenn natürlich auch durch die mögliche wechselnde Reihenfolge der Antworten Betonungen, Haltungen etc. etwas komisch daher kommen. Um ehrlich zu sein braucht es schon einen Moment, um sich in die Charaktere so einzufinden, dass man sie nicht als Schauspieler betrachtet, sondern als die Rollen, die sie verkörpern, aber nach einigen Sitzungen entwickelte ich durchaus eine Beziehung zu den Patienten. Sobald dieser Punkt überschritten ist, erzeugt das Spiel nicht zuletzt dank feinem, ein ganz klein bisschen an Twin Peaks erinnernden Soundtrack eine starke Sogwirkung.
[h1]Zum Verrückt werden[/h1]
Ein teilweise großes Manko ist das Gameplay an sich. Die Fragen werden per Tastatur eingetippt, wobei es [b]zwingend[/b] notwendig ist, sich an Keywords zu orientieren, die die Patienten fallen lassen. Sagt der unruhige Bryce bspw. etwas über "Hühnerfrikassee", lohnt es sich, direkt dieses Wort einzutippen - eine "Frage" braucht nicht immer formuliert zu werden. Dies führt zum Problem, dass man manchmal nach mehreren Keywords gleichzeitig fragt ("Hühnerfrikassee kochen"), was nicht in Reihe verarbeitet wird, sondern den überforderten Patienten fast schnippisch werden lässt:"Hey, Doktor, ich kann nicht alles gleichzeitig beantworten!" Der schwierigere Punkt ist, dass ich selbst (großartiger Detektiv, der ich bin :-) ) die offensichtlichsten Fragen nicht anbringen konnte, weil ich kein entsprechendes Keyword in die Frage gepackt habe. Dadurch kommt selten ein richtiger Gesprächsfluss zustande, den man innerhalb der Spiellogik erwarten würde. Da man an jedem Tag nur eine gewisse Anzahl an Informationen je Patient erhalten haben muss, um zum nächsten Tag schalten zu können, ich aber blöderweise alles wissen wollte, was ging, war dies [u]echt[/u] herausfordernd bis "zum Haare raufen".
[h1]Warum es sich trotzdem lohnt[/h1]
TIMODD hinkt im Gameplay seinem ambitionierten Ziel, Detektiv- und Horrorgeschichte im FMV-Format erlebbar zu machen, deutlich hinterher. Da das Alter Ego im Spiel durch seine Nachfragen und Ratschläge jedoch selbst nach und nach an "Sanity" einbüßen und im Abspann auch einen entsprechenden Hinweis bekommen kann, wie es mit einem selbst weiterging, erhält das Spiel eine nicht notwendige, aber feine Ergänzung zum klassischen Krimi-Spiel, das es im Kern ist. Da zudem in jedem Durchlauf der Täter/die Täterin zufällig neu ausgewählt wird, erhält das Spiel einen enormen Wiederspielwert, da es in jedem Durchgang zwangsläufig immer wieder neue Dinge zu sehen gibt. Dies und der Umstand, dass es, anders als das hochgelobte "Her Story" (das ich auch sehr schätze), einen klar definierten Abschluss der Handlung gibt, rundet TIMODD so ab, dass ich es mit Einschränkungen (z.B. sollten ganz gute englische Sprachkenntnisse vorliegen) definitiv empfehle. Nun muss ich aber los, der nächste Patient wartet...
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