Spielzeit:
4104 Minuten
Positiv:
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+ schön Effekte, Shader & Animationen
+ sehr spannende & außergewöhnliche Prämisse
+ hervorragende(s) Worldbuilding & Lore
+ hervorragend inszenierte Feldzug-Einleitung
+ spannende & vielschichtige Story
+ erstklassig inszenierte Enden
+ überzeugende Atmosphäre
+ sehr gut geschriebene(s) Enzyklopädie & Tagebuch
+ hervorragendes Pacing mit wenig Leerlauf
+ jede Menge markante & gut präsentierte Charaktere
+ wunderbar plastisch geschriebene Dialoge & Texte
+ umfang- & facettenreiches Multiple-Choice-Dialogsystem
+ größtenteils gute & vielschichtig designte Quests, mit oft mehreren Lösungswegen
+ spitzenmäßiger Wiederspielwert
+ schlüssig & ausgereift wirkende Charakter- & Klassensysteme
+ gut ausgearbeitetes Kampfsystem mit richtig coolen Kombo-Mechaniken
+ spektakuläres Magiesystem & ein hervorragender Zauber-Baukasten
+ umfangreich designte Basis-Türme
+ deftiges Sound Design & recht gute Sprecher
+ sehr viele Einstellungsmöglichkeiten & Komfortfunktionen
+ größtenteils bugfrei & läuft stabil auf meinem System
Negativ:
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- viel zu kleines UI bei hohen Auflösungen
- relativ wenig Sprachausgabe
- recht statische Spielwelt mit nur wenig Interaktionsmöglichkeiten
- größtenteils sehr kleine & unspektakuläre Maps
- mitunter geht die Übersicht in den Kämpfen flöten
- ab und zu Probleme mit der Wegfindung
- viel zu wenig Quickslots für die vorhandene Menge an Fähigkeiten
- die einzelnen Turm-Basen wirken unangenehm fragmentiert
- gefühlt zu wenig Rufsystem-Konsequenzen
System:
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> Win 10 64 Bit
> Ryzen 7 5800X3D
> RTX 2070 8 GB VRAM
> 32 GB RAM
> Soundkarte ASUS Xonar DGX
> Teufel Concept C 200 2.1
[b]"Tyranny" ist ein bemerkenswertes CRPG, dass sich wohltuend von gängigen Fantasy-Klischees abhebt, ohne dabei an Zugänglichkeit einzubüßen. Entwickelt von Obsidian Entertainment, die bereits mit "Pillars of Eternity“ (PoE) bewiesen haben, wie gut sie moderne & ausgeklügelte Old School Rollenspiele kreieren können, inszeniert Tyranny eine packende Reise durch politische Intrigen, ethische Dilemmata, moralische Ambivalenz und brutale Schicksale, bleibt unterm Strich aber storytechnisch einen Tick zu folgenlos und endet relativ abrupt.[/b]
Das, was einem bestimmten Möchtegernherrscher Mittelerdes Nacht für Nacht feuchte Träume beschert, ist in Tyranny bereits passiert: Die gesamte bekannte Welt wurde erobert und keinerlei Feudalmacht oder Meritokratie konnte sich dem Schicksal entziehen, unter das Banner eines allmächtigen Overlords geknechtet zu werden. Als Schicksalsbinder/Schicksalsbinderin ist es nun die Aufgabe des Spielers, in den aufmüpfigen „Stufen“ Recht zu sprechen und wieder Ordnung ins Nachkriegschaos zu bringen.
Die Welt von Tyranny ist düster, voller politischer Spannungen und rivalisierender Fraktionen. Worldbuilding & Lore wirken wunderbar komplex, kohärent & schlüssig und die Story wirkt reichhaltig & durchdacht. Die Idee, mithilfe des einleitenden Feldzugs die Spielwelt schon vor dem eigentlichen Beginn zu formen, ist einfach genial, sorgt für einen enormen Wiederspielwert und auch die unterschiedlichen Fraktionen, mit denen ich zusammenarbeiten bzw. mich verfeinden kann, sorgen dafür, dass ein zweites durchspielen eigentlich schon zum Pflichtprogramm wird, auch weil es de facto unmöglich ist, ALLES in einem Durchlauf zu sehen. Die Dialoge sind äußerst stimmig geschrieben und verleihen den meisten relevanten Personen im Spiel enorme Glaubwürdigkeit, was aber auch an der sehr guten englischen Vertonung liegt. Die verfügbaren Gefährten besitzen sicherlich nicht den Wiedererkennungswert eines Edér oder Minsc, dennoch bin ich erneut positiv überrascht davon, was für gut geschriebene, vielschichtige Charaktere auch dieses CRPG zu bieten hat, inklusive vielen & äußerst interessanten (Begleiter)Quests.
Ein herausragendes Merkmal von Tyranny ist die Tatsache, dass man als Spieler die Rolle eines absolut a.rschigen & opportunistischen Despoten einnehmen kann, wenn man das möchte und es ist bemerkenswert, wie viele verschiedene Wege & Optionen mir zum Erreichen meiner Ziele zur Verfügung gestellt werden: Geb ich ‘nen scheiß auf lange Reden und hau lieber alles kurz & klein oder wiesele ich mich lieber lügend & manipulierend durch die Gespräche, bin ich der strenge & gnadenlose (Scharf)Richter oder spiele ich den Rechtsverdreher, der die Gesetze zum Vor- oder Nachteil der Beteiligten auslegt, arbeite ich von Anfang an darauf hin, dass eine bestimmte Fraktion so viel Schaden wie möglich erleidet oder möchte ich lieber mit so vielen Parteien wie möglich Freund sein? Oder, oder, oder. Natürlich ist es gleichzeitig so, dass das Spiel stets darauf bedacht ist, die Handlung voranzutreiben und mich nicht völlig führerlos Quatsch machen lässt, dennoch werden einem hier sehr erfolgreich umfassende Freiheiten zur Lösung der meistens Quests & Probleme vorgegaukelt.
Unterfüttert wird das Ganze von einem allgegenwärtigen Rufsystem, welches meine Entscheidungen dokumentiert und die Fraktionen & Charaktere auf diese reagieren lässt. Es entwickeln sich so nach und nach ganz natürlich Ab- & Zuneigungen, die allerdings für ein derartiges Grimdark-Szenario größtenteils viel zu folgenlos bleiben, um immer glaubwürdig zu wirken. Erst im finalen Akt spielen meine zuvor getroffenen Entscheidungen wirklich eine Rolle, aber auch dann ist es schlussendlich so, dass das Spiel SEHR generös bleibt, mächtige & gnadenlose Archonten plötzlich wie zahme Schoßhunde wirken, das Spiel dann auch ziemlich abrupt vorbei ist und alles bereit macht für einen zweiten Teil, den wir aber wohl niemals sehen werden, weil Publisher Paradox bereits verlauten lassen hat, das Tyranny angeblich nicht erfolgreich gewesen ist. Ein Jammer ist das.
Das Gameplay ist an sich deckungsgleich mit dem aus PoE, obwohl gleichzeitig ein ganzer Haufen kleiner Änderungen hinzugekommen sind, die den Gameplay-Loop merklich vereinfachen. Das kann man gut oder schlecht finden, ich persönlich hätte es jedoch begrüßt, wenn die überaus gut inszenierten P&P-Elemente aus PoE auch ihren Weg in Tyranny gefunden hätten, ganz zu schweigen davon, dass es kaum Interaktionsmöglichkeiten in der Spielwelt gibt, die sich nicht auf das Looten von irgendwelchen Items beschränken. Wie dem auch sei, die Charakter- & Klassenmechaniken wirken interessant und passen thematisch wunderbar zum Bronzezeit-Fantasy-Szenario. Griechisch-persische Peltasten-Magier lassen sich genauso erstellen wie römisch-germanische Berserker-Krieger und im Laufe des Spiels bekommt man Zugriff auf jede Menge Skills & Zauber, für die das UI viel zu wenig Platz bietet, die jedoch gleichzeitig auch ganz hervorragend inszeniert werden, allen voran die spektakulären Kombo-Skills. Auch der Zauber-Baukasten stellt eine echte Bereicherung dar, ist wunderbar vielfältig und bietet viel Futter für Bastler. Top!
Dann wären da noch die Türme, die sich zur Basis ausbauen lassen, was sich auf Dauer allerdings etwas nervig anfühlt, da man ständig zwischen ihnen hin & her reisen muss, um auf alle Crafting-Mechaniken & Händler zugreifen zu können und die Dungeons, die sich jedoch aufgrund des Worldbuildings so sehr ähneln und auch austauschbar wirken, dass es zumindest mir kaum möglich ist, jetzt noch einzelne Highlights aus ihnen zu nennen.
Im Allgemeinen hat Tyranny das Problem, dass es kaum etwas auf den recht kleinen Maps zu entdecken gibt, da man häufig in karger Wildnis unterwegs ist und höchstens mal eine Ansammlung von Lehmhütten untersuchen darf. Das farbenfrohere PoE mit seinen großen & malerischen Siedlungen bietet da deutlich mehr fürs Auge, was im Umkehrschluss jedoch nicht bedeuten muss, dass Tyranny grafisch schlecht aussieht, nur halt etwas… eintönig. Animationen & Effekte hingegen wirken durchweg gut und auch ist es auf meinem System zu keinerlei schweren Bugs oder Abstürzen gekommen, von einigen seltenen Wegfindungsproblemen mal abgesehen.
8,5/10
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