Spielzeit:
2033 Minuten
Willkommen in der Technokratie, der "wundervollen" Brave New World!
Technobabylon ist mein erstes Spiel vom Publisher Wadjet Eye Games und eventuell bleibt es auch dabei...
Als Fan von Science-Fiction Settings / Stories und als aufmerksamer Beobachter unseres vorherrschenden und im Werden begriffenen Zeitgeists, war mein Interesse an dem technokratisierten Babel geweckt und ich schlug im Sale schließlich zu.
Mein erster Ärger mit dem Spiel stellte sich schnell ein: Die Bildschirmauflösung.
Ich hatte schon lange keine größeren technischen Probleme mit Spielen, selbst die letzten DOS-BOX Abstecher verliefen immer ziemlich reibungslos. Aber bei diesem Spiel hatte ich echte Startschwierigkeiten. Nach entsprechenden Einstellungen beim Start-Up konnte ich das Spiel im Vollbild-Modus starten, aber der Mauszeiger wies unerträglich stockende Bewegungsmuster auf, so habe ich dann schließlich auf ein Vollbild verzichtet und mit dem Fenstermodus vorliebgenommen. Im Hintergrund konnte ich so immerhin einen Übersetzer offen halten (den ich aber während des Spielens, wie es sich heraustellen sollte, nicht benötigte), das Englisch war problemlos verständlich - was die Sprache betrifft bereitet mir die Extensitivität des Vokabulars von Sunless Sea mehr Kummer.
Nun gut, die Immersion war durch den Fenstermodus jedenfalls etwas in Mitleidenschaft gezogen.
Der erste Eindruck vom Spiel war dennoch ganz ordentlich, ich tobte mich im ersten Level erstmal an der Umgebung aus, klickte alles was sich fand mit beiden Maustasten an (erzeugt unterschiedliche Reaktionen) und bekam recht unterhaltsame Kommentare dazu (was schon mal ein großer Pluspunkt war, darauf achte ich immer bei Adventures!). Außerdem versuchte ich mich an absurden Item-Kombinationen (die Kombinationsmöglichkeiten im Laufe des Spiels sind allerdings im Vergleich zu anderen Titeln eher unterdurchschnittlich, das Inventar ist selten mal richtig prall gefüllt), auch hier gab es erfreulicherweise meistens einen individuellen Kommentar.
Zügig wurde ich vom Spiel mit der Trance-Funktion vertraut gemacht, die mir zunächst richtig toll und stimmig erschien.
Es sollte sich herausstellen, dass die Trance-Nutzung im weiteren Verlauf zwar noch recht oft von Bedeutung sein sollte, aber sie wurde dann doch nicht so spannend genutzt, wie ich es mir am Anfang bei Einführung des Features erhoffte.
Nach kürzerem Hängenbleiben im ersten Level durch Verwirrtheit im Dialogfenster erlebte ich schließlich den ersten Szenen-Wechsel und Rollentausch. Ich steuerte nun ganz anderen Charaktere (Charakter-Wechsel sind ja nicht unüblich in Adventures und tragen meistens zur Abwechslung bei), und wurde in den ersten Ermittlungsfall geworfen. Auf den beiden Protagonisten im Einsatz, Charlie Regis und Max Lao, sollte der Fokus erstmal ein Weilchen bleiben. In der folgenden Handlung durfte ich anfallende Aufgaben teilweise unterschiedlich lösen, das gefiel mir sehr, aber man muss dazu sagen, dass es nicht so oft möglich war Rätsel auf verschiedene Art und Weisen zu lösen wie z.B. bei Quest for Glory.
Das fand ich etwas schade, da hatte ich doch Hoffnung, dass es öfter zu entsprechenden Situationen mit Entscheidungsmöglichkeiten käme; die meisten Entscheidungen kommen im Diaologfenster zu Stande und man kann ziemlich genau erahnen, welche Antwort zu welchem Ergebnis führen wird. Aber einen Pluspunkt für das Einbauen von solchen Möglichkeiten gibt es auf jeden Fall, da gibt es weitaus linearere Adventures... Ein paar Verzweigungen mehr bei der Rätsellösung bzw. dem Handlungsstrang haben noch keinem Point & Click geschadet.
Die Steuerung der Charaktere wechselte noch ein paar mal, man brachte den Handlungsablauf von unterschiedlichen Perspektiven aus voran und erwartete schon gespannt, wie die Handlungsstränge zusammen laufen werden.
Es war auch schön, wie die Eigenheiten der unterschiedlichen Protagonisten durch Kommentare und in Dialogen deutlich heraus stachen. Einen besonderen Sympathieträger gab es für mich unter den Charakteren leider eher weniger, aber die Kontraste zwischen den Persönlichkeiten waren gut portraitiert. Der eher reaktionäre, altmodische Regis', die technikaffine Max Lao und die Trance-süchtige, eskapistisch veranlagte Latha reagierten sehr individuell auf Situationen und auf die Umgebung, wodurch sich unterschiedliche Sichtweisen auf den Zeitgeist herauskristallisierten, die zum Interesse am Setting beitrugen.
Die verschiedenen Handlungsstränge und die spätere Auflösung des Plots empfand ich persönlich als sehr gut in Szene gesetzt und clever verknüpft. Einige Tendenzen konnte man erahnen, aber es gab durchaus Überraschungen - was einer Geschichte eigentlich fast immer sehr zuträglich ist.
Insgesamt war das Artwork und die Story gut gewählt, die Pixel-Grafik ist nach wie vor optimal für das Point & Click Genre, hier gibt es zwar auch hübschere Darstellungen, aber alles in allem zeugte die Levelgestaltung schon von einer gewissen Genre-Versiertheit. Der Plot weist sehr viele Parallelen zu anderen Science-Fiction Geschichten/Prognosen auf, und man hat das Gefühl, so manch einer weiß, wo uns die Reise hinführen wird... Der Aufbruch in eine für manche utopisch, für andere dystopisch erscheinende Technokratie, in der die virtuellen Welten und die Kontrollinstanzen uns irgendwann über den Kopf wachsen und das Mensch-Sein in Frage stellen werden, ist ein gerne gewähltes Thema. In dieser Geschichte werden ganz besonders viele Zukunftstrends thematisiert - ob es um verblüffend menschlich wirkende Androiden geht, um das Klonen, um das Simulieren von 'ausgestorbenen' Krankheiten, verschwommene Geschlechtergrenzen, um ethische und humanistische Fragen im Wandel der Zeit „unter welchen (Labor-)Bedingungen ist Menschenfleisch eine Option?“ oder „Ist die Überwachung von vernetzten menschlichen Individuen durch eine 'allwissende' zentrale, künstliche Intelligenz erstrebenswert?“ - all diese 'Zukunftsmusik' ist nahtlos in die Spielwelt integriert. Und obschon es mich stets hin zum Science-Fiction Genre zieht, bin ich doch gleichzeitig immer wieder beunruhigt über die erschreckend prognostischen Anwandlungen von Genrewerken. Bewusst eingesetzter Symbolismus zeigt - die Agenda läuft im Hintergrund wie sie es soll. Aber das ist meine persönliche Wahrnehmung der Thematik, einen anderen mag es nicht verstören, bei mir hinterlässt es einen faden Beigeschmack.
Und trotz des Lobes in vielen Bereichen, muss ich in meinem Resümee auch noch erwähnen, dass alle (zum Teil auch gelungenen) Bemühungen ein abgerundetes, packendes Spielerlebnis zu kreieren nicht verhindern konnten, dass mein Enthusiasmus irgendwann in der Mitte des Spiels gewaltig auf der Strecke blieb und ich mich zum Weitermachen eher aufrappeln musste...also ich musste mich definitiv nicht vom Bildschirm reißen... Irgendwie stellte sich bei mir nie wirklich ein vollwertiger Spielspaß ein, alles wirkte auf eine seltsame Art 'limitiert' (kein Wunder, dass auch der Entwicklungsverlauf von "Technobabylon" wohl eher stockender Natur gewesen sein soll, was ich so gelesen habe), das Spiel verharrt in seinen Grenzen, das Potential war da aber es wurde gefühlt nie vollkommen ausgeschöpft.
Von mir würde das Spiel daher auch in etwa 6 von 10 Punkten bekommen. Man kann es mal gespielt haben, aber hätte ich es nicht gespielt, hätte ich auch nicht viel verpasst - die Zeit, die ich darin verbracht habe war 'ganz okay'.
Ich persönlich würde Genre-Fans bevorzugt "I have no Mouth and I Must Scream" und "Beneath a Steel Sky" ans Herz legen! Vor allem Ersteres punktet mit einer viel angenehmeren, ungezwungeneren Charakter-Palette, einem sehr interessanten, innovativen 'Karmasystem' und einer beklemmenden Atmosphäre, die mich noch lange nach dem Spielen in ihren Bann zog und mich ermunterte, im Anschluss die Kurzgeschichte zu lesen.
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