Spielzeit:
367 Minuten
Wenn einer eine Reise tut... tja, lieber Leser, dann sind wir aber sowas von mit an Bord, oder?
Und besonders, wenn es so eine höchst interessante Fahrt wird. Da gibts wirklich einiges geboten:
Nen alten Zug, richtig schön Orient Express artig aufgemacht mit einer Dampflok, die sich schnaufend und schwerfällig vorwärts pflügt durch die einsame schneebedeckte Landschaft... einfach wunderbar atmosphärisch ist das, die Flocken tanzen im Wind, kleben an den Scheiben und hauchen ihr federleichtes Leben aus, nur um als kleiner unscheinbarer Tropfen wiedergeboren zu werden. Schön, schön...
Das hat schon was und vor allem gibts auch im Innern des Zuges einiges zu sehen... natürlich abgesehen vom edlen und wunderschön altbackenen Interieur.
Doch bevor wir aufbrechen, machen wir das, was jeder Reisende gern tut, vor allem, wenn die Zeit unbarmherzig im Nacken sitzt - einen kleinen Abstecher nämlich.
Also, los gehts: Und zwar im Apartment von Alex Davenport. Die junge Frau hat gerade ihren untreuen Freund abserviert und schlägt die Zeit tot, als eine traurige Pflicht sie nach Hause, auf die Insel Augur Peak, ruft.
Gesagt getan, bei der missgünstigen Gelegenheit kann man wenigstens noch eine alte Freundin besuchen, um den Schmerz der familiären Mühsal ein wenig zu lindern.
Und für die Reise besteigen wir eben jenen uralten, ehrwürdigen und höchst eleganten Zug.
Hier beginnt die Geschichte dann wirklich. Während wir auf den Bahnsteig noch Dr. Harold Lang kennen lernen, einen Archäologen mit gleichem Ziel wie unseres, geht die noch gar nicht wilde Fahrt auch schon los.
Und da herrscht erstmal Langeweile. In einem Anflug von Selbstlosigkeit haben wir Harold unser einziges Buch überlassen und so dreht Alex erstmal Däumchen und wir steuern von nun an den besagten Herrn Doktore...
Und jetzt hör ich auch sofort auf zu spoilern, denn so lang ist das Game nicht, ein paar wenige Stündchen hält das Vergnügen bloß an, da wäre es ja gemein, Dir alles schon vorweg zu nehmen.
Im dritten Kapitel lenken wir wieder Alex´ Geschicke, soviel sei verraten und vielleicht noch, dass die Rätselkost nicht hammerhart knobelig ist, sondern eher seicht im Hintergrund bleibt. Denn hier gehts um eine große Geschichte und die steht für sich.
Und was unsere beiden Reisenden auf ihrer beschaulichen Fahrt aufs entlegene Eiland erleben, grenzt an Wunder und Wahnsinn gleichermaßen.
Die Geschichte entspinnt sich sachte und zaghaft, baut mehr und mehr Steine aus Emotion, wirrer Psyche und Fantastik aufeinander bis hin zu einem leicht okkulten Crescendo aus krassen Twists und irren Überraschungen.
Und nein, es ist kein Jumpscare Festival und nochmal nein, es ist auch kein wirklich wahrer Horror. Jedenfalls keiner, der vordergründig ins Gesicht spring und laut: "Buh!", schreit.
Hier regieren Psychologische Kniffe und die bravourös gespielte Klaviatur der emotionalen Aufs und Abs das Geschehen und damit packt die Story uns an den verletzlichsten Punkten. Familie, Freundschaft, Verrat, Verlust, Trauer und Wehmut wechseln sich minutiös getimed ab, bis am Ende Ratlosigkeit herrscht und Leere.
Drei Enden danach, denn das Game setzt immer nochmal einen drauf, klärt sich dann doch fast alles auf, aber ein beklemmendes Gefühl der Verunsicherung bleibt.
Was war real?
Was nur ein Traum?
Was kann noch Wirklichkeit werden?
Und was bleibt frommer Wunsch und größte Furcht?
Tja und mit all diesen Fragen und noch vielen, vielen mehr lässt Dich das Spiel dann allein und so darfst Du endlich mal wieder noch ein bisschen im Dunkeln sitzen und über ein Spiel nachdenken im Nachgang. Hat man ja selten genug, sowas und deshalb ists einer besonderen Erwähnung wert.
Dass die Grafik selbst für Pixel Art altbacken wirkt, der Sound aber dezent und höchst stimmungsvoll daherkommt, trägt mehr zur Atmo bei, als das es schaden würde.
Was hier wirklich zählt ist, neben der tollen Vertonung auf englisch, der Einsatz von Bild und Symbol-Sprache und der ist, vorsichtig ausgedrückt: GENIAL!
Hab ich sehr selten erlebt, dass ich so derart oft stutzen und kurz überlegen musste und vor allem auch wollte.
Für so ein kleines Spiel steckt hier wirklich eine Menge drin, ich würds Dir zu gerne alles aufdröseln, aber dann mach ich Dir den Zauber echt kaputt.
Also was bleibt Dir also übrig?
Richtig!
Für die monströse Summe von siebzig Cent (!!!!!) mi Sale kannst Du selbst abtauchen in diese eigenartige, aber faszinierende Welt und eine wundervoll entschleunigte Reise antreten.
Eine Reise mit einem alten Zug vordergründig , die hintergründig und auf endlosen Metaebenen für so so soooo viele andere Reisen steht, vielleicht sogar für die allerletzte und sogar noch eine danach... ;-)
Und auch wenn eine Zugfahrt immer lustig ist, wird diese vielleicht ein bisschen nachdenklicher.
Gut so, in diesem Fall ist das eine willkommene Abwechslung.
Und deshalb wünsch ich Dir beim Nachsinnen, beim Grübeln, beim Knobeln, beim leicht Gruseln und bei einer emotionalen Achterbahnfahrt im Zug wie immer...
... viel Spaß ;-)
Und hey, wenn´s Dir gefallen hat, ne Runde von mir zu lesen, dann klick hier
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und da gibts mehr von mir auf meiner Kuratoren-Seite. Schmökern for free: Also stell Dir nen Tee bereit und viel Spaß beim Lesen...
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