Spielzeit:
5960 Minuten
Vorab: Ich habe das Spiel schon deutlich länger als die momentan angezeigten rund 40 Stunden offline gespielt und so gut wie alles mal gesehen.
Und "sehen" ist direkt das Stichwort, denn Inhalt von Sunless Skies ist, wie schon beim Vorgänger, das Entdecken, das Gefühl, wenn man durch die (wunderschön gestalteten) Regionen des zum Himmel aufgestiegenen Londons fliegt und einen neuen Hafen am Horizont erblickt und mit ihm neue Geschichten.
Denn Sunless Skies kombiniert das Herumfliegen auf vier Regionenkarten mit jeweils eigenen Thematiken und Stimmungen mit den Halten an festgelegten Häfen und Punkten, an denen der eigentliche Kern des Spiels, nämlich textbasierte Adventure-Passage, absolviert wird. Das Herumfliegen in schöner Umgebung mit atmosphärischer Musik- und Geräuschuntermalung wirkt dabei angenehm entschleunigend und erhöht die Freude, wenn man denn dann in einem entlegenen Winkel doch noch etwas findet.
Diese Kombination aus Echtzeit-Erkundung und Text-Adventure war auch schon für den Vorgänger kennzeichnend; im Vergleich zu Sunless Seas ist Sunless Skies aber vor allem eins: Größer!, ohne dabei seine Stärken zu verlieren. Im Vergleich ist es aber auch professioneller und verfügt zwar über die Ideen, nicht mehr aber über dessen ungeschliffenen, eher kleinen und feinen Charakter.
Sunless Skies ist vergleichsweise ein Mammutprojekt, die gelungene Evolution vom Indie-Spiel zum Nicht-mehr-so-Indie-Spiel. Trotz der vielfachen Größe ist es ebenso wie der Vorgänger prall gefüllt mit Inhalt und Erforschbarem. Die Quantität ging in keinster Weise auf Kosten der Qualität!
Angesiedelt ist das Spiel je nach Region in einem viktorianischen Setting mit leichten Steampunk-Elementen. Als Kapitän einer fliegenden Lokomotive fährt man durch die Himmel und verfolgte eine von momentan drei Bestimmungen. Man geht in den Häfen an Land, trifft immer wieder Entscheidungen und erfüllt Quests, um neue Ausrüstung, Lokomotiven und Crewmitglieder zu bekommen, die jeweils eigene Geschichten haben, denen man auf seinen Fahrten nachspüren kann.
Die Regionen bestehen jeweils aus einem Haupthafen im Mittelpunkt der Karte, an dem man sich günstig mit Nahrung und Treibstoff eindecken kann. Gehen diese auf der Reise zur Neige, äußert sich dies in vermehrt auftretenden, unschönen Ereignissen an Bord bis hin zum Tod in den Wolken, wenn man es nicht in den nächsten rettenden Hafen geschafft hat. Jede Region hat einen eigenen Charakter: Albion bspw ist das Herzstück des Empires und am meisten durchzogen von der Herrschaft der Königin, was sich in der Architektur und den dort erzählten Geschichten äußert. New Winchester hingegen ist geprägt vom Kampf der freien Luftfahrer gegen die ausgreifenden Arme der Londoner Invasoren und bietet eine Landschaft mit viel Wald, Schnee und Natur.
Verschiedene Fraktionen kämpfen in den jeweiligen Regionen um die Vorherrschaft und das eigene Verhalten beeinflusst diesen Krieg, was zB am Gegneraufkommen auf der Echtzeitkarte erkennbar wird. Das Gefühl, wenn man als Spieler selbst das Zünglein an der Waage im Kampf der Fraktionen wird, nachdem man sich von unten hochgearbeitet hat, ist befriedigend.
Als gereifteres Werk lässt Sunless Skies das klaustrophobische Setting in den Höhlen unter der Erde hinter sich und ersetzt es in konsequenter Weise durch die schier endlose Freiheit des Himmels; für mich ein sinniger Schritt, um nicht einfach nur mehr vom selben zu bieten, sodass ein Übermüdungseffekt eintreten könnte. Sunless Skies bietet qualitativ und quantitativ mehr als Sunless Seas. Dies aber auf Kosten der Düsterkeit und Beengtheit, die ihren eigenen Charme und Atmosphäre hatten. Auch der teils makabre Humor hat es nur teilweise in den Nachfolger geschafft. So bleibt es zwar immer noch möglich, bei Ausgehen der Nahrung seine Mannschaft nach und nach in den Kochtopf zu zwingen, sich in den endlosen Weiten des Himmels in der Alkoholsucht zu verlieren uvm, auch wegen der feineren Umsetzung existiert aber nicht dieselbe Form der Bedrohung, das Gefühl, dass immer und überall, auch nach vielen Spielstunden, plötzlich und auf bisweilen dumme Weise der Tod eintreten kann.
Entsprechend ist es nun möglich, sich auf die Textpassagen zu konzentrieren und hierzu bei Spielbeginn die eigene Zielsicherheit und die der Gegner herauf- bzw herunterzuregeln, sodass dem Spielerlebnis einige Gefahr genommen wird.
War Sunless Seas noch ein kleines, verspieltes Kind, so ist Sunless Skies ein viel, VIEL größerer Bruder. Es besinnt sich auf seine Stärken, vergisst nicht seine Wurzeln, ist aber geschliffener für eine weitere, weniger nischige Spielerschaft.
Sunless Skies ist nur in englischer Sprache spielbar. Dies ist wohl vor allem den sehr umfangreichen Textpassagen geschuldet, die das Spiel charakterisieren und eine gewisse Eleganz mitbringen. Diese auch in vielen verschiedenen Übersetzungen zu gewährleisten, ist für ein kleineres Studio nicht möglich.
Alles in allem ist es so geworden, wie ich mir eine gelungene Fortsetzung vorstelle. Man kann sich in dieser Spielwelt regelrecht verlieren!
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