Spielzeit:
363 Minuten
Hacker Evolution ist ein Text Adventure im Gewand einer Hacking-Strategie-Simulation. Man verbringt seinen Hacker-Alltag damit Server auf offene oder geschützte Ports zu scannen, eventuelle verschlüsselte Verbindungen zu umgehen, mit Passwörtern gesicherte Systeme zu knacken, nutzt ab und an mal ein Exploit aus, läd Trojaner auf feindliche Rechner, überweist sich Geld von gekaperten Bankautomaten aufs eigene Konto und motzt damit das eigene System auf. Allzeit darauf bedacht schneller zu sein als der Trace des Gegenüber, um nicht erwischt zu werden. Dem Gegner immer einen Schritt voraus.
All das tut man als Spieler, indem man verschiedene Befehle in eine Konsole tippt, die entfernt an die Linux-Shell erinnert. Es gibt sogar eine Autovervollständigung. Aufträge bekommt man via E-Mail, sowie eigenartige Nachrichten von Unbekannten. Und letztlich versucht man eine Aneinanderreihung höchst mysteriöser Systemausfälle aufzuklären.
Hacker Evolution gibt sich dabei als Hardcore-Hacker-Spiel, bei dem man strategisch und wohlüberlegt vorgehen muss. Als Beispiel: Man kann seinen Angriff durch einen „bounce“ über ein oder mehrere Systeme ausführen, um die Zeit des Trace-Vorgangs zu verlängern. Allerdings kann man jeden Server nur 3 mal für einen solchen „bounce“ verwenden. Man muss also mit seinen Ressourcen haushalten, um jedes Level zu lösen.
Klingt zu schön um wahr zu sein?
Ist es auch. Leider.
Was spannend klingt und gut funktionieren könnte, ist in Hacker Evolution leider nicht konsequent umgesetzt. Um der Idee des Hardcore-Hacker-Strategie-Spiels gerecht zu werden, ist es nicht etwa schwer und nur mit viel Nachdenken zu lösen, sondern absichtlich unfair konstruiert.
Jede wichtige Aktion, wie Passwörter knacken, oder Verschlüsselung aufbrechen fügt eine bestimmte Menge „Trace“ zum Gesamtkonto des Spielers hinzu. Ist dieses „Trace“ einmal auf den Wert 100 gestiegen, ist das Spiel verloren und man muss das Level von vorn beginnen. Das kann der Spieler nur verhindern, indem er 500 ingame-Dollar für -10 „Trace“ bezahlt. Geld bekommt man nicht, wie vielleicht zu erwarten durch Bestehen der Levels. Stattdessen ist in fast jedem Level zwar Geld zu finden, aber das muss nicht unbedingt reichen. Das hängt von der Vorgehensweise des Spielers ab. Beim Levelwechsel werden das verbleibende „Trace“ und Geld mit in das nächste Level übertragen. Das an sich ist nicht schlimm. Aber man kommt nur durch das Spiel, wenn man jedes Level optimal löst. Sonst steckt man in einem späteren Level unweigerlich fest und muss das Spiel komplett von vorn beginnen.
Es ist also vom Spieldesign vorgesehen, dass der Spieler beim ersten Spielen in einer Sackgasse landet und von vorn anfangen muss, da man unmöglich beim ersten Spielen die optimale Strategie kennen kann. Das zeigt sich schon im aller ersten Level, dem Tutorial, dessen Text dem Spieler eben nicht die optimale Lösung vorschlägt. Scheitern ist hier vorprogrammiert!
Jetzt mag mancher anmerken, dass man dann einfach strategischer vorgehen muss. Aber auch hier ist das Spiel nicht fair. Strategie geht mit einer gewissen Weitsicht einher. Ohne Informationen über zukünftige Schritte, kann man keine bedachte Entscheidung treffen. Immer wieder im Spiel erhält man solche Informationen erst nachdem man einen Server gehackt und dabei Ressourcen verbraucht hat. Das Spiel macht es einem an diesen Stellen schier unmöglich, das Level beim ersten Versuch optimal zu lösen. Das hängt eben nicht von strategischer Vorgehensweise ab, sondern davon, wie oft man das Level schon gespielt hat. Nochmals verdeutlichen lässt sich dies durch die späteren Level, bei denen zum erfolgreichen Abschluss ein bestimmter „Trace“-Wert nicht überschritten werden darf. Wieviel Trace man im Level verbraucht, ist nicht ersichtlich, weil man unmöglich abschätzen kann, wie viele Server gehackt werden müssen, um alle Missionsziele zu erreichen. Geschweige denn, welcher Aufwand damit verbunden ist in die Systeme einzubrechen und an wichtige Informationen zu gelangen. So ist man gezwungen im ersten Durchgang auf gerate wohl zu hacken, bis man die gesuchten Infos zusammen hat und dann mit dem Vorwissen neu zu starten.
In einem Hacker-Spiel versucht man sich auch gelegentlich daran, Dinge zu tun, die nichts mit dem eigentlichen Level zu tun haben. Immerhin bewegt man sich in einer Spiel-Version des Internet, da wird man ja auch mal gucken dürfen, ob da draußen noch mehr ist. Das gewöhnt einem Hacker Evolution direkt wieder ab, weil man mit „Trace“ bezahlt, wenn man versucht auf nicht existente Server zuzugreifen. Das erscheint Sinnvoll, wenn man bedenkt, dass man eben nicht wild drauf los hacken, sondern strategisch vorgehen soll. Also sucht man auf gehackten Servern nach Hinweisen auf weitere erreichbare Systeme. Auch hier wieder eine super Idee. Allerdings gibt es immer wieder Stellen, an denen mehrere Hinweise gegeben werden, von denen aber nur einer der Richtige ist. Alle anderen führen ins Leere und kosten wieder „Trace“. Hier dem Gedankengang der Entwickler zu folgen ist nicht immer einfach. Und in Kombination mit der Übertragung des „Trace“ in das nächste Level, kann man das Level wieder nicht beim ersten Versuch lösen.
So bleibt von der tollen Idee leider nicht mehr viel übrig, was man wirklich genießen könnte. Das Freiheitsgefühl und der kreative Umgang mit den Problemen weicht der Erkenntniss.
Man bemerkt plötzlich Dinge, die man einem besseren Spiel vielleicht verziehen hätte. Zum Beispiel die Tatsache, dass sich beim Setting Open World anbietet und dies auch vom Spiel in gewissem Rahmen ermöglicht wird. Das aber durch obig erwähntes Gamedesign mit Scheitern bestraft wird und die Open World somit auf komplett lineare Schlauchlevel reduziert. Und die muss man auch noch auswendig lernen.
Auf einmal fällt auf, dass sich die Zahl der 20 Konsolen-Befehle in der Praxis auf die Hälfte reduziert, wenn man die zählt, die man ständig verwendet. Dass das schnell repetitiv wirkt, wundert dann auch nicht. Es kommen noch Kleinigkeiten dazu, die den Eindruck des Internet schwächen: Nach Eingabe des Befehls „killtrace“, den man ständig verwendet um seinen „Trace“-Wert im Zaum zu halten, suggeriert die Konsolenausgabe, dass die Netzwerkverbindung heruntergefahren und unter neuer IP-Adresse wieder gestartet wurde. Da wundert man sich schon, wenn man diesen Befehl ohne Auswirkungen in einem laufenden Download /Crackvorgang oder dergleichen ausführt.
Wie bereits am Anfang erwähnt, kann man sein eigenes System mit besserer Hardware ausstatten. Dabei wird einem eine lange Liste mit immer teureren und besseren Optionen vogelegt, die suggeriert, dass man sich all das mal leisten und einbauen kann. Aber auch hier ist das Spiel nicht fair. Upgrades sollte man nur dann ausführen, wenn man ohne Sie nicht mehr weiter kommt, weil sonst das knappe Budget nicht reicht um das „Trace“-Level unter Kontrolle zu halten und man in den späteren Levels nicht mehr unter den Maximalwert kommt. Das bekommt man vom Spiel aber nicht signalisiert.
Dann ist da noch der Score, der sich durch Lösen von Levels erhöht. Was soll der hier?
All das fällt vor Allem auf, weil man die meiste Zeit eh damit verbringt darauf zu warten, dass gestartete Vorgänge durch laufen. Dass das Rennen gegen den Trace-Vorgang dabei meist knapp ausfällt (denn sonst hat man Ressourcen vergeudet) mag am Anfang für Spannung sorgen. Es wird aber schnell lästig ständig warten zu müssen. Und während man so wartet und die Levels Stück für Stück auswendig lernt fragt man sich, ob der Preis genau so fair ist wie das Spiel.
Wer ein gutes Spiel sucht, das einem das Gefühl gibt ein Hacker zu sein, wer ein Spiele-Internet frei erkunden und beim Lösen von Missionen seinen eigenen Weg gehen will, der ist hier falsch.
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