Spielzeit:
2566 Minuten
Als Kenner und Liebhaber von Visual Novels kann ich es mir nicht nehmen lassen, ein Review zu diesem Spiel zu schreiben. Ich habe es schon auf dem Radar, seit ich 2011 in einem japanischen Fachmagazin davon gelesen habe und habe sowieso ein Faible für Rundenstrategie.
1. Grafik
Wie viele japanische Storygames hat das Spiel fast ausschließlich gezeichnete 2D-Grafiken. Die Charaktere und Hintergründe sind farbenfroh und detailliert, wobei man klar leichte "Sparmaßnahmen" bemerkt, wenn man näher hinsieht. Es ist kein superpolished HD look, sondern man kann mit geübtem Auge klare digitale Pinselstriche und Ungenauigkeiten erkennen. Diese schreibe ich aber eher dem sehr organischen und leicht unsauberen Stil von Oyari Ashito zu und stört keinesfalls.
Die verschiedenen Orte der Welt haben ansehnliche Hintergrundbilder verpasst bekommen und sind durchweg gelungen. Manche wurden mehrfach verwendet, was aber nicht stört, da sie nur einen generellen Eindruck des Landes vermitteln sollen und keinen konkreten Ort.
2. Musik und Sound
Die Musik ist VN-typisch größtenteils leicht und zweckmäßig. Das Standardlied für ruhige Szenen ist unaufdringlich und nett, ohne auch nach stundenlangem Anhören zu nerven. Die Kampfmusik ist nicht übertrieben und ebenfalls gut als Untermalung hörbar. Keines der Lieder reißt wirklich mit, aber es geht auch keins auf den Senkel.
Die sonstigen Soundeffekte sind das übliche "Bling", "Kling", "Plopp" usw.
3. Charaktere
Die Charaktere wirken alle sehr jugendlich, sogar diejenigen, die laut eigener Aussage "mittleren Alters" sein sollen, namentlich Abe no Seimei und Aristoteles. Auch das ist ein Element des Zeichenstils.
Dagegen sind die Charaktere gut unterscheidbar und bedienen diverse Klischees der Animekultur, wobei man immer noch klare Persönlichkeit erkennen kann. Dass die bei der Unmenge an Charakteren nicht allzu tief ausfällt ist zu verzeihen. Die Bandbreite sorgt aber dafür, dass wohl jeder Spieler seine persönlichen Lieblinge findet.
4. Sprachausgabe / Voice Acting
Da braucht man wenig Worte verlieren. Japanisches Voice Acting gehört zu dem Besten der Welt. Gerade die hyperactiven Charaktere werden mit viel Hingabe gesprochen und die Bandbreite von süß bis erwachsen, von hektisch bis ruhig ist riesig. Auch sehr unkonventionelle Stimmen sind dabei.
5. Dialoge
Seien wir ehrlich, japanischer Humor ist nicht Jedermanns Sache. An manchen geht er vollkommen vorbei, andere lieben ihn. Die Witze sind allerdings ein großer Teil der Dialoge, also sollte man abschätzen können, ob man damit etwas anfangen kann. Allerdings haben einige schöne Anspielungen ihren Weg in das Spiel gefunden. Einer der Charaktere bekommt regelmäßig "Eingebungen von Gott", was dann durch Analog-Modemgeräusche untermalt wird. Auch hilft es, ein wenig etwas über fernöstliche Mythologie oder Legenden zu wissen, wenn zum Beispiel Sanzou Houshi den Spieler immer als "Hakkai" bezeichnet und einen Affen namens Goku auf der Schulter hat.
Es gibt etliche kleine Storyszenen, die größtenteils eher wie eine Besichtigung während einer Weltreise wirken als Gespräche während einer Welteroberung. Über diese Dialoge kommt aber das Verhältnis der Charaktere zueinander ziemlich gut rüber und vermittelt einem das Gefühl, sie immer besser kennen zu lernen.
6. Strategieteil
Ziemlich früh im Spiel wird man darauf hingewiesen, dass man die Länder in verschiedenen Reihenfolgen erobern kann und dadurch das Spiel leichter oder schwerer wird (und man für schwerere Methoden Belohnungen bekommt). Ich habe mich für die schwerstmögliche Reihenfolge entschieden und muss sagen, dass das die richtige Wahl war.
Hätte ich mit den einfachen Ländern angefangen, dann wäre das Spiel so vor sich hingeplätschert und ich wäre ohne Probleme durch alles durchmarschiert, da meine Truppen gut ausgebaut in die schwereren Länder eingefallen wären. So war noch eine ordentliche Herausforderung dabei, zumindest stellenweise. Die einfachen Länder danach waren natürlich nur noch ein Pausensnack.
Ich rate jedem, vor einer Kriegserklärung abzuspeichern und erst einmal den schweren Weg zu probieren. Dabei zu siegen ist viel befriedigender, als zuerst die leichten Gegner abzufrühstücken und dann mit deren Ressourcen im Rücken die schwereren Gegner anzugreifen.
Missionen werden dadurch absolviert, dass man Charaktere mit einem bestimmten Mindestgesamtwert bestimmter Attribute wie Diplomatie, Suchen, Handwerk usw. zuweist. Die meisten Missionen laufen ohne Kampf ab und bestehen nur aus dem Einsatz der Charaktere und einer kurzen oder längeren Dialogszene. Zur Belohnung gibt es Gold, Items oder Charakterverbesserungen.
7. Kämpfe
Das Kampfsystem ist mäßig komplex. Es gibt Angriff, Verteidigung und Geschwindigkeit sowie Truppstärke und Typ. Manche Typen teilen gegen bestimmte andere Typen mehr Schaden aus, der vom Verhältnis zwischen Angriff und gegnerischer Verteidigung sowie eigener Truppstärke beeinflusst wird. Dazu kommt noch eine geringe Chance auf kritische Treffer mit doppeltem Schaden. Die Geschwindigkeit bestimmt soweit ich das sehen konnte nur die Anfangsreihenfolge.
Im Laufe des Kampfes erlangt man "Brave"-Punkte, mit denen man Spezialattacken und Zauber einsetzen kann. Diese haben nicht nur eine bestimmte Zeit, die man danach warten muss bis man wieder an die Reihe kommt (so wie normale Attacken auch), sondern auch eine vorhergehende Wartezeit. Ein starker Angriff während dieser Zeit kann die Attacke unterbrechen. Finde ich ein nettes Feature. Jeder Charakter hat eine normale Attacke und mindestens eine Spezialattacke, durch das Absolvieren von besonderen Missionen erhalten sie nach und nach mehr Special Moves dazu. Manche sind richtig gut, andere nutzlos. Generell sind viele Charaktere einfach zu schwach im Kampf, aber man kann sie immer noch als "letzte Verteidigungslinie" bei Gegenangriffen verwenden und Missionen ohne Kampf mit ihnen machen, wenn alle anderen Charaktere in der aktuellen Runde schon etwas zu tun bekommen haben.
8. Das DLC
Brauche ich es oder nicht? Ganz klar: Nein. Das Spiel büßt keinen Spielwert dadurch ein, dass es auf jugendfrei getrimmt wurde. Die H-Szenen sind nicht Storyrelevant, aber gut gezeichnet und allesamt consensual (soweit ich es bisher nach ca. 30 Stunden reiner Spielzeit gesehen habe). Bei zumindest einem Charakter ist das normale Charaktersprite zensiert, was das DLC auch rückgängig macht (Ashokas blanke Brust, die eine sehr knappe Bedeckung spendiert bekam). Ansonsten ist einfach die Frage, ob man den Zusatzinhalt möchte. Ich finde den Preis des DLC okay und bin ein Purist, der alles gerne im Originalzustand mit so wenig Lokalisation wie möglich spielt.
9. Fazit
Das Spiel ist kein Hardcore-Strategietitel, aber anspruchsvoller als Wimmelbild-Minispiele. Die Kämpfe sind dazu da, den Spieler aktiv zu beschäftigen, nicht aber, um ihn vor schwierige Aufgaben zu stellen. Das Spiel lebt von der erzählten Story und dem Charme der Charaktere. Wenn man sich von Kampf zu Kampf klickt und alle Dialoge überspringt tut man sich keinen Gefallen. In erster Linie ist es immer noch eine Visual Novel, nur eben mit "Mitmachfunktion", die etwas mehr Interaktivität mit sich bringt als ein eingeblendetes Menü mit Handlungsoptionen. Dennoch ist das Spiel einigermaßen linear, wenn auch auf mehreren Handlungssträngen parallel.
Es macht Spaß und ist umfangreich genug, um eine Weile zu beschäftigen. Wer dem Stil etwas abgewinnen kann und lockere Strategiekost mag kann zuschlagen. Wer bei Animes die Nase rümpft wird auch hier keine große Freude haben.
Nachtrag zu Eiyuu Senki GOLD:
Eiyuu Senki GOLD ist kein Add-On, sondern ein komplettes eigenständiges Spiel mit anderer Story, anderer (aber ähnlicher) Spielmechanik und VIEL mehr Spielinhalt, vor allem CGs. Es ist wie eine Neuinterpretation. So wie der Batman-Film von 1989 und "The Dark Knight". Beides sind Batman-Filme, haben aber außer Batman, Alfred und Joker nichts miteinander gemeinsam. Kauft das Spiel hier und vielleicht kommt auch "GOLD".
👍 : 5 |
😃 : 1