Spielzeit:
1388 Minuten
Zum 400. Review gibts eine echte Perle:
"Twilight Struggle" ist die (englischsprachige) digitale Umsetzung eines herausragenden Brettspiels, das in der deutschen Version "Gleichgewicht des Schreckens" hieß.
Der kalte Krieg. Eine hochspannende und hochgefährliche Ära. Zwei Supermächte, die USA und die UdSSR versuchten weltweit ihren Einfluß zu erhöhen. Zwei Systeme stritten miteinander. Mit diplomatischen, geheimdienstlichen und militärischen Mitteln. Stellvertreterkriege wurden vom Zaun gebrochen. Viele Ereignisse machten deutlich wie nah die Welt am Abgrund, am alles vernichtenden Atomkrieg stand, ob Kuba Krise oder Korea Krieg. "Twilight Struggle" versucht diese in einem komplexen kartenbasierten Brettspiel deutlich und spielbar zu machen. Und das gelingt meisterlich und mit grandiosem Erfolg.
"Twilight Struggle" ist für zwei Spieler ausgelegt. Einer spielt die USA, der andere übernimmt die UdSSR. In dieser digitalen Variante des Karten-Brettspiels können wir entweder gegen die KI antreten - die meist ganz erstaunlich clever agiert, Schwächen erkennt und auch einige Züge im Voraus zu denken vermag - oder online gegen einen menschlichen Gegner. Dabei gibt es ein Zeitlimit, das wie eine Schachuhr funktioniert, also nur bei dem läuft, der auch am Zuge ist. Eine normal laufende Partie dauert in der Regel (wenn sie nicht früh abrupt durch die atomare Katastrophe endet, was durch unvorsichtiges Agieren schnell passieren kann) in etwa eine Stunde, plus minus je nach Kontrahentenkonstellation.
Das Spiel ist aufgeteilt in drei große Phasen, die Zeitabschnitte repräsentieren. Beginnt ein neuer Abschnitt kommen neue Karten hinzu. Bestimmte Karten werden immer wieder ins Deck gemischt. Andere werden nach einmaligem Ausspielen aus dem Spiel entfernt. Die drei großen Phasen sind dann nochmal in eine bestimmte Anzahl Runden aufgeteilt (3-4-3). In jeder Runde werden eine bestimmte Anzahl Karten ausgespielt (6-8). Eine kleine Anzahl Karten kann gehalten werden und wird in die nächste Runde mitgenommen.
Die Karten haben mehrere Informationen. Zum Einen ein Event, das beschrieben wird und dessen Auswirkungen in Kraft treten, wenn wir die Karte als Event ausspielen. Auf der Karte ist auch eine Ziffer, die die Stärke der Karte repräsentiert. Wir können auch diese Punkte einsetzen, um Einfluß in Ländern zu erzielen. Jedes Land hat einen bestimmten Wert. Erreicht die Differenz zwischen den Einflußpunkten der beiden Spieler in dem Land diesen Wert, hat der jeweilige Spieler unter Kontrolle und es wird schwerer für den Gegner hier Einfluß zu platzieren. Die Kartenpunkte können auch eingesetzt werden um einen Coup in einem Land zu machen. Um zu ermitteln, ob der Coup erfolgreich ist, wird die Stärke des Landes, die schon existierenden Einflußpunkte und ein Würfelwurf einberechnet. Ein gelungener Coup setzt allerdings den DEFCON Level (1-5) runter. Bei DEFCON 1 kommt es zur atomaren Katastrophe und das Spiel endet sofort.
Ungeliebte Karten (in der Regel Karten, die ein starkes gegnerisches Event triggern) können auch im Space Race eingesetzt werden, durch das man auch Punkte bekommen kann.
Alle der hochintelligent aufeinander abgestimmten Mechaniken können hier gar nicht erwähnt werden. Headline-Phase (bei der ersten ausgespielten Karte einer Runde wird immer das Event ausgelöst) oder China-Karte, die wenn sie ausgespielt wird in der nächsten Runde dem Gegner zur Verfügung steht.
Gewonnen hat eine Seite, wenn die Differenz an Victory-Points 20 erreicht. Victory-Points erreicht man durch vieles, durch Space-Race, Karten-Events aber auch durch Scoring-Cards, die, wenn ausgespielt den momentanen Einflußstand in einer Weltregion bewerten.
Ich könnte noch weitaus mehr ins Detail gehen. Es ist komplex, trotzdem man eigentlich meist nur Karten ausspielt. Es ist, und das ist das wichtigste, eine unglaublich gute, unglaublich intelligente, unglaublich durchdachte, historisch akkurate Repräsentation einer bewegten Ära. Soviel historisches Feingefühl findet sich extrem selten. Die eigentlich simple Grundlage eines kartenbasierten Spiels wird durch das Regelwerk zu einer Erfahrung, die es notwendig macht über jeden Zug gründlich nachzudenken. Die Frage wann man eine Karte ausspielt ist extrem wichtig und entscheidend. Daß fast alle Karten als unterschiedliche Aktion ausgespielt werden können (Event, Einfluß, Coup, Space Race, Realignement) erhöht die Komplexität enorm.
Daß das Zeitlimit online wie eine Schachuhr funktioniert ist kein Zufall. Auch wenn die Mechaniken ganz andere sind, wird man ähnlich wie beim Schach dazu geleitet, komplex und mehrere Züge im Voraus zu denken. Zudem muß man auch dringend den Gegner analysieren und sollte durch dessen Handlungen versuchen einzuschätzen, welche Karten er vielleicht noch auf der Hand hat. Man selber darf sich allerdings auch nicht durch seine Aktionen zu sehr verraten, sonst kann der Gegner gezielt reagieren. Das Spiel wird zudem immer komplexer, da im Verlauf der Phasen tendenziell immer mehr Karten hinzukommen.
Hat man zum Beispiel die Karte "Asia Scoring" auf der Hand, wird man versuchen sie am Ende der Runde auszuspielen und innerhalb der Runde den Einfluß in Asien so weit wie möglich zu steigern, um dann durch die Scoring-Karte möglichst viele Victory-Points zu bekommen. Setzen wir aber gleich zu Beginn alles in Asien ein, wird unser Gegner diese Taktik erkennen und Gegenmaßnahmen versuchen, etwa Coups in Asien machen. Da die Scoring-Karten in der jeweiligen Runde ausgespielt werden müssen, kann dies dazu führen, daß wir unserem Gegner Victory Points schenken, weil er uns zu früh einschätzen konnte.
"Twilight Struggle" ist auf den ersten Blick kompliziert. Und das ist es zugegebenermaßen erstmal durchaus auch. Nach ein paar rasch verlorenen Spielen kommt man aber gut rein und begreift die Mechaniken rasch, denn diese sind alle sinnvoll und logisch durchdacht. Wenn man die Regeln einmal kapiert hat, hat man sie auch drauf.
Das Spiel spricht sicher nur eine kleine Gruppe an, ist ein Nischen-Titel. Aber gerade das spricht für diese digitale Version, denn manche werden im real life nur schwer einen Spielpartner finden. Hier hat man die richtig gute KI oder online meist wirklich fordernde Gegner.
Technisch ist die Umsetzung sehr sauber gemacht, übersichtlich und gut bespielbar. Einige nette Sounds und kurze akustische Ausschnitte aus historischen Reden runden den durchweg guten Eindruck ab.
Wer mal in das Spiel hereinschauen mag, sollte sich das "Angespielt" Vorstellungs-Video des besten youtubers aller Zeiten für Strategiespiele "Steinwallen" anschauen. Die beste Einführung in dieses strategische Meisterwerk.
[h1]Wertung:[/h1]
10/10 Atmosphäre
10/10 Story
8/10 Grafik
7/10 Sound
10/10 Spielmechanik
10/10 Balancing
10/10 Spielspass
[h1]Fazit:[/h1]
Starke Umsetzung eines Meisterwerks der historischen Karten-Brettspiele.
[h1][b]10/10 Gesamtwertung
👍 : 20 |
😃 : 0