Spielzeit:
461 Minuten
Knapp 5 Jahre ist es her, dass Bloober Team mit ihrem Pitch des Dual-Reality-Gameplays The Medium auf den Markt brachte. Ein Spielkonzept, was sich immer noch spielerisch frisch und unverbraucht anfühlt.
Story & Setting
Dieses Gameplay fügt sich hervorragend in die Story: Denn die Protagonistin Marianne ist ein Medium, eine Person mit übernatürlichen Kräften, welche zwischen zwei Welten reisen kann und in ihnen existiert. Diese Parallelwelten-Wanderung ist im Vergleich zu den Ablegern des klassischen Survival-Horrors originell. Klar, wir kennen sowas gewissermaßen von Silent Hill. Aber Bloober Team macht keinen Hehl daraus, sich an den Genre-Giganten anzulehnen. Das Setting, das Bestreben nach Wissen und Aufklärung unserer Protagonistin, mysteriöse Nebenfiguren, die von uns gerne etwas wollen, uns aber im Dunkeln lassen. Wie eben in einer Mystery-Serie, in der wir uns à la Dark von Netflix sukzessive aufhellen lassen.
Die Geschichte hat viele Facetten von Originalität, in ihrer Inszenierung wirkt sie jedoch etwas abkupfernd von cinematischen Sehkonventionen. Die für 2021 veraltete In-Game-Grafik wird oft auch in den Sequenzen beibehalten. In der Inszenierung der Sequenzen werden kleine Details – vermutlich nicht immer aus einem stilistischen Hintergrund –ausgelassen. Hier wurden sicherlich auch Kosten gespart, um aufwendige Animationen zu vermeiden. Jedoch konnten im letzten Drittel des Spiels der Spannungsbogen und der eine oder andere Wendepunkt diese Makel überscheinen.
Gameplay
Im Gameplay werden wir in Old-School-Manier mit einer fixierten Kameraperspektive konfrontiert. Das genannte Dual-Reality-Gameplay verleiht dem Spiel ein originelles Feature. Wir spielen entweder in einer schwarz-braunen Realität, welche grotesk und abgewrackt daherkommt, oder im Pendant: der neblig weiß-grauen Realität, oder aber – und das geschieht oft – in beiden Welten zugleich. So kommt es häufig vor, dass wir in einem Splitscreen – ja, in einem Singleplayer-Spiel! – uns simultan durch beide Welten bewegen. Dadurch eröffnen sich innovative Ideen für Rätselliebhaber*innen: Zum Beispiel muss ich in Realität A den Weg räumen, um in Realität B dort hindurchzukommen. In Realität B wiederum werden weitere Rätsel gelöst, um dann in Realität A weiter voranzuschreiten. Dadurch entsteht eine sehr schöne Verwobenheit dieser zwei Welten. Ansonsten gibt es auch sehr klassische Gameplay-Inhalte, die nicht nennenswert, aber auch nicht sehr negativ auffallend sind. Hier gibt es manchmal auch sehr repetitive Elemente (laufen, etwas aus dem Weg räumen, laufen, usw.).
Die Rätsel sind vom Anspruch sehr moderat. Das Inventar bleibt immer schlank und bietet wenig Komplexität, um mit den gesammelten Objekten in der Umgebung zu interagieren oder mehrere Objekte zu kombinieren. Hier hätten die Rätsel schon auch herausfordernder sein können. Trotzdem gefällt der flüssige Fortschritt im Spiel. Ich bin selten im Spiel nicht weitergekommen und das hatte dann mit der Intransparenz der Intentionen vom Level Design zu tun statt mit der Komplexität der Rätsel. Die Level sind linear, und genreuntypisch gibt es sehr wenig Backtracking, was dem Spiel überaus guttut.
Bemerkenswert ist auch, dass das Spiel ohne ein Kampfsystem – oder eben deshalb – eine bedrückende Stimmung erzeugen kann. Dadurch wirkt unsere Protagonistin noch machtloser und wir als Spielende*r handlungsunfähiger. Fliehen und verstecken ist bei Bedrohungen die Maxime. Die „Hide-and-Seek“-Passagen, wie man sie aus Stealth-Games kennt, fallen sehr hakelig aus. Hier sorgen die Animationen und ein unintuitives sowie unflüssiges Timing der Bedrohungen manchmal für Frust und Game-Over-Momente. Nichtsdestotrotz kann man nach ein paar Ladebildschirmen von Retrys darüber hinwegsehen und im weiteren Spielverlauf wächst man dann doch in das geforderte Gameplay rein.
Musik, Sound & Stimmen
Und hier haben wie noch eine ganz klare Parallele zu Silent Hill: Neben Arkadiusz Reikowski hat Akira Yamaoka in dem Spiel die Musik komponiert, der Komponist von Silent Hill 1-5 sowie des gleichnamigen Films. Sein unverbrauchter Sound, der Verwandtschaft mit Noise, Rythmic Noise, Dark Ambient und weiteren ähnlichen Musikgenres pflegt, findet auch in The Medium stimmungsvoll seinen Platz. Die Stimme von Kelly Burke – der Protagonistin (Englisch-Originalsprache) – sowie der anderen Figuren ist ebenfalls sehr gut gecastet. Was störend war: Beim Inspizieren/Interagieren in der Umgebung war die Stimme der zu steuernden Figur nicht der Atmosphäre, dem Konflikt, der Musik, des Schauplatzes angemessen. Hier merkt man, dass der Cast während der Aufnahme zu wenig Wissen über die spezifische Atmosphäre hatte bzw. dieser Prozess der Produktion noch nicht abgeschlossen war.
Fazit
Insgesamt bekommt man hier auch im Jahr 2025 trotz altbackener Grafik eine Offenbarung für alle Fans des Genres. Die innovativen Gameplay-Elemente wie das Dual-Reality-Gameplay, meistens in Form eines Splitscreens, oder das Ausbleiben eines Kampfsystems, ohne dieses zu vermissen, sind absolut genreuntypisch. In einem Singleplayer-Spiel alleine auf einem Splitscreen zu spielen, ist über das Genre hinaus originell und öffnet neue Möglichkeiten des Rätselns. Die Story ist interessant genug und durch die häppchenweise Auflösung des ganzen Mysteriums kann sie insbesondere zum Ende hin richtig an Fahrt aufnehmen. Bei der Musik gibt es mit Akira Yamaoka Hollywood-Besetzung im Horror-Genre.
In jedem Fall freue ich mich auf die kommenden Projekte von Bloober Team und kann Fans des klassischen Horror-Survivals The Medium wärmstens empfehlen. Bloober Team hat nach Layers of Fear, The Observer und The Medium gezeigt, dass sie durch ihre Erfahrung in dem Genre gute Spiele aus dem Hut zaubern kann und das in diesem Jahr noch erscheinende Spiel Cronos: The New Dawn macht einen auch durch seinen Pitch in puncto Gameplay hellhörig.
👍 : 0 |
😃 : 0