Spielzeit:
283 Minuten
[h1]Keine Lust mehr auf Wimmelbilder?[/h1]
Lange Zeit hat sich das ukrainische Entwicklerstudio Specialbit Studio auf Wimmelbild-Adventures konzentriert. Doch nach fast 13 Jahren in der Branche entschloss man sich schlussendlich die nächste Evolutionsstufe zu besteigen und ein vollwertiges Point & Click-Adventure zu kreieren. Das Ergebnis nennt sich Angelo and Deemon: One Hell of a Quest und wurde am 27.09.2019 veröffentlicht. Euch erwartet ein humorvolles Abenteuer, welches die Sehenswürdigkeiten und Einwohner der Hölle präsentiert. Was das Spiel im Detail zu bieten hat, erfahrt ihr im folgendem Test.
[h1]Die Gier nach Klicks und Abonnenten[/h1]
Angelo ist ein erfolgreicher Blogger der bereits 865.762 Abonnenten vorweisen kann. Und dennoch ist der junge Mann unzufrieden, denn die Klickzahlen seiner Videos sind rückläufig. Wenn das so weitergeht verdient er nicht mehr genug Geld für den Lebensunterhalt und muss sich eventuell sogar eine richtige Arbeit wie Taxifahrer oder Bauarbeiter suchen! Dieses schreckliche Szenario muss unbedingt verhindert werden! Wie es der Zufall so will kommt es zu einer Verwechslung und der Tod klopft an die Tür. Als der Sensenmann offenbart, dass die Reise in die Unterwelt ansteht, ist Angelo sofort begeistert, denn dort wartet bestimmt viel Material zum abknipsen und bloggen. Hierdurch müsste er seine Klickzahlen wieder steigern können und kann seinen Lebensstil aufrecht erhalten.
Auf dem Bahnhof zwischen Himmel und Hölle begegnet Angelo dem Gangsta-Rapper Deemon. Dieser landete nach seinem Ableben in der Hölle und wurde zur Strafe in einen kleinen geflügelten Dämon verwandelt, der bis in alle Ewigkeit auf dem Bahnhof arbeiten muss. Da Angelo Deemons Abneigung gegen normale Arbeit nachvollziehen kann, geht er der Bitte des Rappers nach und luchst ihn aus dem Bahnhof heraus. Zur Gegenleistung beschließt Deemon als Angelos treuer Sidekick mitzureisen. Die Sache hat nur einen Haken: Wie sollen die Beiden nach der Sightseeingtour aus der Hölle entkommen?
Die Ausgangslage der Handlung ist witzig und interessant, jedoch fehlt es dem Spiel an einem greifbaren Ziel. Ein Blogger auf Sightseeingtour in der Hölle entpuppt sich als überraschend dünne Story. Da es hier aber eher um Humor und abgedrehte Charaktere geht, ist das nicht so schlimm. Ist schon witzig zu sehen, welche, oftmals albernen, Strafen die Sünder aufgebrummt bekommen haben und wie sich Angelo und Deemon als deren Laufburschen abplagen müssen, wo sie doch eigentlich der harten Arbeit entfliehen wollten.^^
Tiefgängige Charakterstudien sollte man jedoch nicht erwarten. Es bleibt alles sehr oberflächlich und albern. Anspielungen auf große Adventure-Hits oder berühmte Filme dürfen da freilich auch nicht fehlen.
Problematisch ist, dass „One Hell of a Quest“ nur der erste Teil der Story ist und somit mit einem Semi-Cliffhanger endet und auch nur eine Spieldauer von ca. 4-5 Stunden bietet. Ich vermute das Ding sollte ein Zweiteiler werden. Dieser Umstand wird im Werbetext jedoch nicht klargestellt, was der ganzen Sache einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Die Tatsache, dass die Fortsetzung bis heute auf sich warten lässt, obwohl das Spiel bald 4 Jahre alt ist, macht die Sache auch nicht besser. Aber daran könnte auch der Krieg in der Ukraine eine erhebliche Mitschuld tragen.
[h1]Wenn der Sidekick auf einen Inventargegenstand reduziert wird[/h1]
Spieltechnisch wagt Angelo and Deemon keine Experimente. Ihr bekommt ein gewöhnliches Point & Click-Adventure. Mittels Mauscursor sucht ihr die Screens nach Hotspots, Gegenständen, NPCs oder Ein- und Ausgängen ab und betätigt die linke Maustaste für die Interaktion. Gefundene Gegenstände werden in einer Inventarleiste am unteren Bildrand gesammelt, die man per Druck auf das kleine Pfeil-Symbol aufrufen muss. Natürlich müssen einige Gegenstände untereinander kombinbiert werden und wollen am richtigen Hotspot oder NPC eingesetzt werden, damit man im Spiel vorankommt.
Das Spiel beschränkt sich ausschließlich auf Inventarrätsel. Apparturen, Mechanismen oder zu entschlüsselnde Codes sucht man hier vergebens. Abwechslungsreich ist was anderes.
Stattdessen entschlossen sich die Entwickler den Schwierigkeitsgrad der Inventarrätsel in den höheren Bereichen anzusiedeln. Da das Spiel hauptsächlich in einer übernatürlichen Umgebung stattfindet, sollte man diesen Aspekt natürlich miteinbeziehen. Aber selbst dann wirken einige der Inventarrätsel relativ konstruiert und können leicht zu Frust führen.
Zur Unterstützung bekommt der Spieler jedoch eine Hotspotanzeige, sowie eine Hilfefunktion (einer der Buttons in der Inventarleiste). Letztere verrät euch, ob ihr euch überhaupt am richtigen Ort befindet, und wenn ja, gibt sie eine mehr oder weniger konkrete Anweisung, was als nächstes zu tun ist. Charmant ist, dass die Hilfefunktion in Form einer K.I.-App präsentiert wird, die sich Angelo aufs Handy geladen hat.^^
Dank der Hilfefunktion sollte das Spiel dann doch noch gut ohne externe Hilfen zu schaffen sein. Ich selbst habe sie auch zweimal eingesetzt.
Es gibt jedoch noch zwei Dinge, die mich in Angelo and Deemon besonders gestört haben. Erstens ist da das Backtracking. Leider ist das Spiel derart aufgebaut, dass man regelmäßig zu einer kleinen Insel reisen muss. Und zu der kommt man erst, wenn man zuvor durch zwei, drei andere Abschnitte wandert. Das kann verdammt nervig werden, da es leider keine Doppelklick-Abkürzung gibt. Ein Doppelklick sorgt lediglich dafür, dass Angelo etwas schneller läuft.
Das zweite Ärgernis ist das verschenkte Potential von Deemon. Angelos Sidekick wird hier wortwörtlich zum Inventargegenstand degradiert – zumindest spieltechnisch. Ist das wirklich alles was sich die Entwickler haben einfallen lassen? Warum kann man die beiden nicht parallel spielen? Andere Adventures wie Geheimakte, Dropsy usw. haben schließlich vorgemacht, wie so etwas funktionieren kann.
[h1]Grafik und Sound[/h1]
In grafischer Hinsicht macht sich die Wimmelbild-Erfahrung der Entwickler bemerkbar. Das auf Basis der Unity-Engine erstellte Spiel setzt vollständig auf Artwork-Zeichnungen. Und das sieht in der Regel auch recht hübsch und detailverliebt aus. Allerdings kommt der Stil nicht an gescheite Renderbilder heran. Obendrein sind die Animationen der Charaktermodelle sehr hölzern geraten. Wiederum positiv ist das sympathische Artdesign und der Abwechslungsreichtum der Höllen-Ortschaften. Insgesamt gesehen ist die Grafik gut gelungen und trägt ihren Teil zum Spielspaß bei.
Weniger gelungen ist hingegen der OST, der sich hauptsächlich aus Fahrstuhl-Gedudel und diversen Variationen von Windrauschen zusammensetzt. Der OST wird unspektakulär im Hintergrund abgespult und fällt daher kaum auf. Glücklicherweise wurde mehr in die englische Sprachausgabe investiert. Diese ist nämlich sehr gut gelungen. Lediglich Angelos Sprecher übertreibt es etwas mit den Betonungen, aber das ist nicht so tragisch.
[h1]Pro und Kontra:[/h1]
Pro:
- guter Humor und unterhaltsames Protagonisten-Duo
- kreatives Setting mit witzig-schrägen Bewohnern
- integrierte Hilfefunktion
- einige richtig schicke Artworks
Kontra:
- das Spiel ist unvollständig. Die zweite Hälfte fehlt und...
- … das Spiel ist somit auch nur ca. 4-5 Stunden lang
- etwas ziellose Handlung
- Frustration durch konstruierte „Moon Logic“-Inventarrätsel
- der Sidekick Deemon funktioniert spieltechnisch nur wie ein Inventargegenstand
[h1]Unvollständig aber gut und humorvoll[/h1]
Trotz der Tatsache, dass wir hier nur ein halbes Spiel mit entsprechend kurzer Spieldauer und Semi-Cliffhanger-Ending vorgesetzt bekommen, hatte ich doch einigen Spaß mit Angelo and Deemon. Das Spiel lebt von seinem frechen Humor und dem unverbrauchten Setting einer charmanten Cartoon-Hölle. Und trotz der wilden Logik der Inventarrätsel, kommt man dank der nützlichen, witzig präsentierten Hilfefunktion immer voran.
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