Spielzeit:
81 Minuten
Ich hab das Spiel durch den gamespodcast entdeckt. Nachdem ich immer wenn Nina es erwähnt hat vor hatte, mir das mal anzusehen, hab ich im Sale endlich zugeschlagen. Jetzt fühl ich mich ein bisschen schlecht, dass ich nicht wenigstens den ohnehin geringen Vollpreis bezahlt hab, denn das ist es auf jeden Fall wert.
Obwohl der Grundkonflikt der beiden Liebenden wohl selten genau so im Alltag menschlicher Wesen entstehen würde, kommt einem die Gesprächssituation selbst komisch bekannt vor. Es sind eben diese entscheidenden Gespräche: die Ungewissheit der Zukunft, die Zerrissenheit zwischen Zweifeln und dem Verlangen nach Nähe und die Frage, ob man das zusammen durchstehen kann oder es unweigerlich auf eine Entfremdung hinausläuft. (Triggerwarnung:) [spoiler]Ich weiß nicht, ob das so beabsichtigt war, aber speziell die Thematik der Angst vor Intimität und dem, was sie womöglich anrichten könnte, erinnert auch an Beziehungen mit sexuell traumatisierten Menschen. Da passt die Gottesanbeterinnen-Metapher ziemlich gut: Beide wollen einander nah sein, aber das Risiko für eine Person ist so groß, dass eine Menge Vertrauen und Vorsicht auf beiden Seiten nötig ist, um das zulassen zu können, und ohne gute Kommunikation kann die Beziehung daran scheitern.[/spoiler]
Das Spiel schafft es dabei trotz der kurzen Spielzeit, die Situation authentisch darzustellen - durch den seichten Einstieg, die schöne Inszenierung und wiederkehrende Erinnerungen des bisherigen Beziehungsverlaufs findet man sich schnell emotional in das doppelte Rollenspiel ein. Insbesondere beim Rollenwechsel erlebt man alles nochmal anders, aber auch innerhalb einer Rolle kann man z.B. durch die Buttons für Emotionen und körperliche Interaktion das Gespräch auf unterschiedlichste Weise rahmen.
Die Texteingabe funktioniert eigentlich überraschend gut, nur leider können komplexere Sätze natürlich schlechter verarbeitet werden. Das war nicht anders zu erwarten, es ist aber bei einem Beziehungsgespräch, das eigentlich gerade danach verlangt, ein wenig schade. So regiert die andere Gottesanbeterin manchmal nicht auf die tatsächlichen Schilderungen, sondern nur auf bestimmte Keywords, die je nach Satzstellung womöglich falsch verstanden werden. Um das Spiel nicht zu überfordern, sollte man also kurze, deutliche Sätze bilden. Mir persönlich hat es aber trotz fehlender Resonanz auch etwas gegeben, mir ausführlichere Gedanken zu machen.
Es gibt viele verschiedene Enden und Gesprächspassagen, es lohnt sich also, das Spiel mehrfach zu spielen. Ich mache nach meinen ersten vier Durchgängen erstmal Pause und werde mit etwas Abstand wiederkehren. Es ist auf jeden Fall ein sehr schönes und teils tragisches Spielerlebnis und ich bin froh, darauf aufmerksam gemacht worden zu sein. Da fragt man sich, wie viele kleine Spiele über relevante Themen man sonst noch so verpasst - gerne Empfehlungen in die Kommentare packen!
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