Spielzeit:
0 Minuten
[h1]DLC-Review:
Democracy 3:
Extremism[/h1]
"Democracy 3" ist eine Politiksimulation.
Wer wollte nicht schonmal Bundeskanzler sein, um seine Richtlinienkompetenz auszuspielen. Oder amerikanischer Präsident, um der Bevölkerung endlich mal eine akzeptable Krankenversicherung zu bieten.
In "Democracy 3" können wir die Rolle des Präsidenten, Kanzlers oder Ministerpräsidenten von den USA, Kanada, Deutschland, Frankreich oder Großbritannien übernehmen. Allerdings werden wir bald merken, daß es gar nicht so einfach ist, alle Interessen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen auszutarieren und dadurch irgendwann wiedergewählt zu werden.
Eine Spielrunde ist ein Quartal. Jedes Quartal erhalten wir eine bestimmte Anzahl an politischer Macht, die durch die Werte unserer sieben Minister generiert werden.
Mit dieser Machtpunkten können wir viele unterschiedliche Aktionen machen. Wir können einzelne Minister feuern oder gleich das ganze Kainett umbilden. Wir können bestehende Steuern oder Subventionen ändern. Wir können aber auch ganz neue, noch nicht existierende politische Ideen einführen. Letzteres reicht vom Drohneneinsatz gegen Terroristen über eine Mietpreisbindung bis hin zu der Pflicht, in der Schule jeden Morgen die Nationalhymne abzusingen. Die Aktionen sind allerdings oft recht teuer und so sind die Möglichkeiten der Veränderungen für jedes Quartal durch die Machtpunkte deutlich begrenzt. Bei den meist teuren neuen politischen Ideen schaffen wir es in der Regel nur einmal im Quartal eine Neuerung einzuführen, wenn überhaupt.
Jedes Land zeichnet sich übrigens durch unterschiedliche Startbedingungen aus. Fast alle Werte wie BIP, Schuldenstand, aber auch vor allem die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Alter, politischer Ausrichtung, Interessen und vielen anderen Kriterien ist deutlich unterschiedlich und orientiert sich grob (wenn auch mit einigen merkwürdigen Fehlern) an den realen Werten.
In jedem Land werden nur zwei Parteien simuliert, die Regierung und die Opposition. Was in den USA noch als realistisch gelten kann, wirkt zum Beispiel in Deutschland mit seinen in realiter mehreren im Parlament vertretenen Parteien die Reduktion dann doch sehr stark vereinfachend. Aber man muß sich wohl die Struktur einfach immer als Regierung und Opposition denken, auch wenn das Spiel von zwei Parteien spricht.
Jede Veränderung hat natürlich Auswirkungen und in diesem Spiel hängt zwar nicht Alles mit Allem zusammen, aber doch Vieles mit Vielem. Erhöhen wir zum Beispiel die Steuer auf Alkoholika haben wir mehr Einnahmen, was das BIP steigert und verbessern dadurch auch die allgemeine Gesundheit, verlieren aber Zustimmung in der ärmeren Bevölkerung. Ein Heraufsetzen des Mindestalters für den Alkoholkonsum bringt zwar Sympathien bei den Eltern, reduziert aber die Steuereinnahmen und macht uns bei der Jugend unbeliebt. Und so hat denn alles, was wir machen direkte Auswirkungen auf gleich mehrere Parameter. Jede Veränderung hat (geschätzt) im Schnitt gleich fünf direkte Auswirkungen. Allerdings beeinflussen natürlich auch diese wieder zahlreiche andere Werte. Und so können denn gante Kaskaden von Konsequenzen entstehen.
Ein Beispiel: die komplette Schließung der Grenze mit Verbot der Einreise mögen zwar die Patrioten, es führt aber auch zu einem drastischen Fachkräftemangel, der zu einer deutlichen Reduktion des BIP führt. Die reduzierten Einnahmen müssen durch mehr Schulden ausgeglichen werden, was unsere Bonität reduziert und zu einem höheren Zinssatz führt, der wiederum auf die Gewinne drückt und uns möglicherweise zwingt Subventionen, die der Wirtschaft helfen würden, einzustellen. Und so kann denn eine radikale Entscheidung zügig zu einer Abwärtsspirale führen. Im Allgemeinen kann man sagen: vorichtige Veränderungen sind meist sinnvoller als ein radikales Umschwenken.
Die komplexen Zusammenhänge stellt das Spiel sehr sinnvoll dar. Auf einem einzigen Screen sehen wir zahlreich Symbole, die einen jeweiligen Zustand oder eine jeweilige Politik darstellen. Verweilen wir auf dem Symbol zeigen uns rote und grüne Pfeile, welche anderen Symbole durch dieses Symbol beeinflußt werden, bzw. von welchen es beeinflußt wird. Die Geschwindigkeit der laufenden Pfeile zeigt dabei die Stärke des Einflusses.
Klicken wir auf ein Symbol kommen wir in ein Untermenü, in dem wir dann meist durch einen Schieberegler die Stärke der jeweiligen Aktion einstellen können, also z.B. Steuern erhöhen oder Subventionen kürzen.
Jede Runde gibt es Berichte und Ereignisse und wenn wir es uns mit einer Bevölkerungsgruppe total verscherzen, kann es auch mal zu einem Attentatsversuch kommen.
Das Spiel stellt Strukturen gefestigter westlicher und eher liberaler Demokratien dar. Es hat offensichtlich nicht mit so etwas wie Trump gerechnet. Versuchen wir alle Politikansätze des Wirrkopfs umzusetzen, fahren wir das Land garantiert gegen die Wand. Das ist ja noch sehr realistisch und wahr, unrealistisch wird es aber dann, wenn die Zustimmung durch diese Veränderungen extrem in den Keller fällt.
Und das ist ein Problem des Spieles: es präferiert meist ziemlich deutlich leichte Veränderungen und bietet vor allem soziale Verbesserungen. Nicht, daß ich eine solche soziale Politik in der Realität nicht unterstützen würde, im Spiel allerdings würde ich doch gerne auch gerne mal einige absurde, dämliche oder radikale Ansätze ausprobieren dürfen, ohne daß der Staat gleich vor die Hunde geht.
Ein weiteres Problem: soviele Eingriffsmöglichkeiten wir auch haben, es fühlt sich nur selten so an, als würden wir wirklich etwas gestalten. Meist reagieren wir nur auf offenkundige Probleme und Defizite. Auch das mag realistisch sein, trägt aber nur bedingt zum Spielspaß bei. Außerdem gibt es einige Beziehungen zwischen Bereichen, die doch arg konstruiert wirken oder auch mal genau dem Gegenteil der eigenen Einschätzung entsprechen.
"Democracy 3" ist grundsätzlich eine richtig tolle und spannende Spielidee, die auch grundsätzlich strukturell optisch sinnvoll und übersichtlich umgesetzt wurde, der es aber bei aller SPieltiefe an inhaltlicher Logik und Variantenreichtum oft mangelt.
Grafisch ist das Spiel natürlich sehr simpel gehalten, aber durchaus sinnvoll umgesetzt. Die Hintergrundmusik ist ganz nett und vor allem nicht allzu nervig.
Dieses DLC "Extremism" bringt einige neue politische Ideen und Dilemmata ins Spiel.
Interessant ist, daß es meist um - im politischen Sinne - recht drastische Entscheidungen geht. So können wir zum Beispiel Arbeitslose zu Zwangsarbeit verpflichten, Scheidungen verbieten oder dafür sorgen, daß alle die Nationalhymne absingen müssen. Sogar Gewerkschaften oder Privatschulen können wir verbieten lassen oder unserem Geheimdienst den Einsatz von Folter erlauben und Geheimgerichte einsetzen, um Terrorismus zu bekämpfen.
Fragen kann man sich natürlich, ob es sich bei der Einführung einiger Dinge dann wirklich noch um eine Demokratie handelt, aber genau das Spannungsfeld macht das DLC auf. Zumindest müssen wir uns immer noch der Wiederwahl stellen.
Auch wenn viele Entscheidungen moralisch sehr fragwürdig sind, schafft es das DLC zumindest deutliche Auswirkungen zu erzeugen. Während das DLC "Social Engineering" noch ein wenig daran krankte, daß alle möglichen Entscheidungen nur graduelle und meist minimale Effekte hatten, kann man hier bei "Extremism" wirklich drastische Konzepte austesten. Dadurch wird dann das Grundspiel wieder interessant.
[h1][b]DLC-Wertung: 7/10
👍 : 15 |
😃 : 1